Freitag, 2. März 2007

21 - Wilhelm Rudolph, Haus im Grunde, 1932


Wilhelm Rudolph, geb. 1889 in Chemnitz, gest.1982 in Dresden
Haus im Grunde, 1932, Leinwand, 117 X 130 cm, erworben 1933

(Abb. Haus im Grunde, Farbige Gemäldewiedergaben, 1968, S.99

Das 1932 entstandene "Haus im Grunde" ist im Ideengehalt dem Porträt des "Lumpensammlers" verwandt. Es ist ein altes, unwohnliches Gebäude, das sich im Tal eines hügeligen Landes an den Abhang lehnt. Blinden Augen gleich starren die schwarzen Fensteröffnungen ins Land. Unordentlich in den Angeln hängend, kleben die Läden windschief an der Mauer. Kaum begehbar ist der ungepflasterte, von getautem Schnee aufgeweichte Weg, der an dem Haus vorbeiführt. Es ist ein ungastlicher Ort, den der Künstler für sein Bild wählte und er betont die Verlassenheit und das Verwahrloste des häßlichen Zweckbaues, der die Empfindungen und Gedanken des Bildbetrachters erregt. Man erinnert sich unheimlicher Geschichten von düsteren Wirtshäusern, in denen Furchterregendes geschah und die als Schlupfwinkel allen möglichen Gelichters den Fremden unheildrohend empfangen.

Aber Rudolph erzählt kein Märchen. Es ist, als interpretiere er am Bild des"Hauses im Grund" einen gesellschaftlich-historischen Zustand. Der karge Landschaftsausschnitt mit dem vermodernden Laub am Hang, den noch unbelaubten schwarzen Bäumen im Hintergrund und den letzten Schneeinseln kündet vom Nahen des Frühlings. Zaghaft wagt spärliches Grün sich hervor. Es keimt, will sich entfalten und wachsen. Doch wie ein Klotz legt sich breit das menschenverlassene, von düsterer Vergangenheit zeugende Haus in das Bild. Widerstrebende Gefühle bewegen den Betrachter. Scheu und Ablehnung gegenüber dem Unwirtlichen und Heruntergekommenen und Zuneigung zu der erwachenden Natur, die sich anschickt, ihre Schönheit dem Menschen darzubieten, um ihn freundlich zu empfangen.--Mit ihren immanenten humanistischen Tendenzen lenkt die Kunst Wilhelm Rudolphs Emotionen und Gedanken des Betrachters in die Richtung der gesellschaftlichen Befreiung des Menschen.---

Schon 1933 kam es in der Dresdner Kunstakademie zu heftigen Auseinandersetzungen. Der damalige Rektor, Professor Richard Müller, hatte im Lichthof des Dresdner Rathauses die erste Ausstellung sogenannter "entarteter Kunst" veranstalten lassen, auf der Werke von Otto Dix, Ernst-Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Müller u.a. in diffamierender Weise gezeigt wurden. In einer Sitzung der Akademielehrer griff Rudolph den Rektor wegen der Ausstellung offen an. Müller meldete daraufhin dem damaligen sächsischenKultusministerium: " Ich konnte Rudolph nur zum Schweigen bringen, indem ich zum nächsten Punkt der Tagesordnung überging. Nach Schluß der Sitzung ging er fort, ohne sich zu verabschieden.
Es war zum offenen Bruch gekommen. Unnötig zu sagen, daß es in den folgenden Jahren an Verleumdungen und Angriffen nicht fehlte. Doch Rudolphs Auffassungen waren nicht zu ändern, und sein Widerwille gegen das nationalsozialistische Deutschland wuchs nur. Am 18. Dezember 1936 schrieb der Reichsstatthalter in Sachsen an den Rektor der Akademie, daß Wilhelm Rudolph zu eröffnen sei, er habe "sich mit sofortiger Wirkung jeder weiteren Unterrichtstätikeit zu enthalten" und er sei weiter ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß er nicht mehr berechtigt sei, den Titel Professor zu führen..---1937 wurde darüber hinaus dem Sächsischen Kunstverein verboten, Arbeiten Wilhelm Rudolphs je wieder auszustellen, und ihm wurde bei Androhung harter Strafe der Verkauf von Kunstwerken untersagt. Zur geistigen Bedrängnis kamen nun Jahre harter wirtschaftlicher Not. Vereinsamt lebte er mit seiner Frau, ein Emigrant im eigenen Vaterland. Doch damit nicht genug, in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945, als zwei Fliegerangriffe Dresden fast völlig zerstörten, fiel der größte Teil seines umfangreichen Lebenswerkes den Flammen zum Opfer.

In: J.U., Wilhelm Rudolph, Farbige Gemäldewiedergaben, VEB E.A.Semann Verlag, Leipzig 1968
Abb.in: Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Bestandskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 1987