Samstag, 3. März 2007

23 - Heinrich Ehmsen, Basilius- Kathedrale in Moskau, 1935



Heinrich Ehmsen, geb. 1886 in Kiel, gestorben 1964 in Berlin
Basilius-Kathedrale in Moskau, 1935, Holz, 130 X 100 cm, erworben 1984

(Abb. Katalog 1977, Selbstbildnis 1929, Öl, 120 X 100 cm -Umschlag, kein Galeriebesitz - Basiliuskathedrale, 1935, Abb. Nr.42)

Ich erinnere mich gut der ersten Bekanntschaft mit seinem Werk. Es war Anfang der dreißiger Jahre, als mir das Buch "Deutsche Malerei der Gegenwart" von Richard Bie in die Hände kam. Die im Abbildungsteil dieses heute so gut wie vergessenen Buches reproduzierten Werke Ehmsens machten einen nachhaltigen Eindruck auf mich, und ich war damals auch bereit, die literarische Interpretation seines Werkes hinzunehmen. Es hieß da: " Bei der Übersischt über das Lebenswerk des holsteinischen Malers Heinrich Ehmsen finden wir folgende Motive: Sturm, Drahtverhau, Artisten, Boxer, Lieblinge des Tages, Heimkehr, Irrenhaus, Paralyse, Erschießung, Morphium, Disput, Friedhof, Verfolgungswahn, Größenwahn, Bar und Ende. - Das ist der Durchgang durch die Hölle der inneren Gesichte, der aufgeschreckten Träume, der verlorenen Hoffnung auf die Würde der Menschheit".

Ich war jung und noch nicht in der Lage zu erkennen, daß die von Richard Bie gegebene Interpretation in ihrer Konsequenz völlig falsch war. Ehmsens Kunst ist niemals Ausdruck "verlorener Hoffnung auf die Würde der Menschheit". Das Gegenteil trifft zu. Ehmsen war stets von der Würde der Menschen zutiefst überzeugt. -

Das Erlebnis des ersten Weltkrieges und der Novoemberrevolution formten dann den Schöpfer proletarisch-revolutionärer Meisterwerke. "Heimgekehrt ins Atelier nach München, nach dem Massenmord nun umtobt vom Getöse des Bürgerkrieges, schien mir alle Arbeit aus früherer Zeit belanglos, nichtig. Verdrängte Eindrücke der Jugend, die Lehre vom Kasernenhof und Schlachtfeld, das Erlebnis der Erschießung von Revolutionären bedrängten mich, zwangen mich, sie zu gestalten. Ich muß durch Form und Farbe hinausschreien, was in mir tobt. Mitleid mit der geschundenen Kreatur, Zorn gegen die Peiniger".

Im Jahr 1932 reiste Ehmsen in die Sowjetunion, um in Moskau eine Ausstellung mit seinen Arbeiten zu veröffentlichen. Eine Reihe bedeutender Gemälde war das Ergebnis dieser Reise.

Als die Nacht des Faschismus sich auf Deutschland senkte, wurde Ehmsen von der Gestapo verhaftet. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte Ehmsen, der als "entarteter Künstler" klassifiziert worden war, kein Wirkungsfeld. 1945 wurde er als Professor an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg berufen und zum stellvertretenden Direktor ernannt, doch als er 1949 das Pariser Friedensmanifest unterschrieb, verlangten die
Westberliner Behörden seine fristlose Entlassung.

Ein Jahr darauf berief ihn unsere Akademie der Künste zu ihrem Ordentlichen Mitglied. In seiner neuen Heimat konnte er nun als Maler und Lehrer vieler heute anerkannter Künstler seine Kräfte entfalten.

In: Ausstellungskatalog der Gemäldegalerie Neue Meister, Heinrich Ehmsen, 1977
Abb.in: Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Bestandskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1987