Montag, 5. März 2007

25 - Rudolf Bergander, Mädchen im blauen Kleid, 1931


Rudolf Bergander, geb. 1909 in Meißen, gest. 1970 in Dresden
Mädchen im blauen Kleid, 1931, Holz, 65 cm X 45,5 cm, erworben 1963

(Abb. Dresdener Gemäldegalerie Alte und Neue Meister, 1978, Nr.192, Venezianische Episode, 1958)

Berganders bisheriges Schaffen läßt sich in drei Perioden einteilen, deren erste bis in die dreißiger Jahre reicht. Für sie sind zwei Kinderporträts, das "Mädchen im blauem Kleid" von 1931 und die "Sibylle" von 1935 bezeichnend. Das "Mädchen im blauen Kleid", ein unschönes, blasses, unterernährtes Kind, dessen große gerötete Hände davon zeugen, daß es schwere körperliche Arbeit leisten muß, gehört zu den üblichen Sujets der Veristen dieser Zeit. Bergander verdichtet nun jedoch das Ärmliche und Schwächliche der Erscheinung zu einer schwermütigen Aussage. Die Hohläugigkeit des Kindes ist nahezu vergeistigt. Die dünnen Ärmchen, die an beiden Seiten herabfallen und in die auf den Schoß gelegten Hände münden, wirken in ihrer zarten Hilflosigkeit mitleiderregend. Das blasse Inkarnat des Gesichtes und der Arme wird auf seltsame Weise belebt durch das fahle Rot der entzündeten Augenlider und die braunroten Töne der großen, wie von Waschlauge spröde und rissig gewordenen Hände. Blaßblau ist der Grundton des karierten Kleides. Das Mitempfinden, das das Bild auslöst, und die Anteilnahme heischende Ausstrahlung, die vo dem Mädchen ausgeht, liegen in der vom Künstler gestalteten Geistigkeit.

Obwohl in Gestalt und Aussage das Porträt "Sibylle" sich von dem armseligen "Mädchen im blauen Kleid" unterscheidet, verbindet beide ein den frühen Arbeiten Berganders eigentümlicher melancholischer Zug. "Sibylle sitzt in dunkelgrünem Kleid vor einer blaugrauen Wand und hält eine Stoffpuppe mit Zelluloidkopf, die in ein rotes Tuch gewickelt ist. Zwischen dem Grau der Wand und dem Rot dieses Tuches wirkte das grüne Kleid dissonant, hätte Begander nicht alle Farben gebrochen und auf diese Weise einen Zusammenklang der Töne erreicht. Die Staffelung von Rot über Grün zu dem etwas substanzlosen Blaugrau gliedert wirkungsvoll den Vordergrund des Gemäldes und gibt die Möglichkeit, links neben der Wand eine immer dunkler werdende Ferne zu entwickeln. Welkes Laub hängt über dieser unbestimmbaren Weite. Die maskenhafte Lieblichkeit des Puppengesichtes, der ausgerenkte rechte Arm und der verdrehte rechte Fuß lassen noch an Bilder denken, die Otto Dix von seinen Kindern mit Puppen geschaffen hat. Der verträumte Ausdruck des kleinen ernsten Antlitzes mit den großen blauen Augen ist allerdings in dieser kindlichen Schüchternheit nur der Malerei Berganders eigen. Auch über dieses Porträt ist Schwermut gebreitet, in die sich eine Zugabe wie das welke Laub, das im Gegensatz zu dem sich entfaltenden jungen Leben steht, ohne Bruch einfügt.

Aus: Dresdener Kunstblätter 1969,3
Abb. in: Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Bestandskatalog, Staatliche KUnstsammlungen Dresden, 1987