Donnerstag, 1. März 2007

19 -Wilhelm Rudolph, Arbeiter,1920/21


Wilhelm Rudolph, geb. 1889 in Chemnitz, gest. 1982 in Dresden
Arbeiter, 1920/21, Leinwand, 109 X 93 cm, erworben 1951

(Abb. Katalog Gemäldegalerie Neue Meister, 1977, Nr.72)

Schon bald nach dem ersten Weltkrieg, den der Künstler als Infanterist an den Fronten miterlebte, wurde Rudolph durch grafische Arbeiten bekannt. Aber auch als Maler hatte er früh Erfolg. Seine Bilder waren in den Ausstellungen der zwanziger Jahre, in denen sich die verschiedenen modernistischen Richtungen gegenseitig übertönten, wie eine von allem Auffallenden und Exaltierten unberührte Insel. Ihre ausdruckskvollen großen Formen und der zeit- und lebensverbundene Gehalt lenkten die Aufmerksamkeit auf sich. Man erkannte, daß hier ein Talent sich anschickte, unbeirrbar seinen Weg zu gehen. 1932 wurde er als Lehrer an die Dresdener Akademie berufen.

Um 1920 porträtierte er den Vater. Dieses Bild, das für den frühen Stil Rudolphs bezeichnend ist, zeigt bereits die völlige Lösung von seinem Lehrer Bantzer. - (Dessen) Beschaulichkeit steht bei Rudolph eine nachdrückliche Tat- und Angriffsbereitschaft gegenüber. Aber es ist nicht die laute und polternde Aggressivität, wie sie von den sogenannten avantgardistischen Künstlern der zwanziger Jahre geübt wurde, sondern hier liegen in der Konzentration der Gestaltung des Gesichtes und Körpers die Fähigkeit und Kraft der Überzeugung und des Sichbehauptens.

Das helle kantige Gesicht und die breit auf die Knie gelegten Arbeiterhände nimmt der Künstler in die vordere Bildebene. Dazwischen spannt sich der Oberkörper. Alle Formen, die Umrisse der Figur und die kantige Binnenzeichnung der Hände und des Gesichtes sind streng und bestimmt und führen das Auge des Betrachters immer wieder zum Kopf des Mannes. In ihm zeigt der damals dreißigjährige Maler, daß die Kunst der bildhaften Charakterisierung sein Hauptanliegen ist. Aus den hart eneinandergefügten, groß gesehenen Formen, die jedoch nie die Porträtähnlichkeit verletzen, sondern gerade mit der Ähnlichkeit das geistige Wesen des Modells fassen und steigern, sprechen die Zielstrebigkeit und Energie, die in dem dargestellten Menschen leben. Rudolph erhebt in dem Bild den Vater zu einem Repräsentanten der deutschen Arbeiter dieser schicksalsschweren Jahre. Die fast grafische Malweise -- entsprach in ihrem lapidaren Vortrag der dem Bild innewohnenden Tendenz: Größe und Kraft des einfachen Menschen erlebbar zu machen. Dem Porträt -- gab Rudolph den Titel "Arbeiter". Nicht, daß er den Vater verleugnen wollte - wenn er von ihm spricht, spürt man echte Herzlichkeit in seinen Worten - , sondern Rudolph drängt sich und seine Familie geradezu aus seiner Kunst heraus. Es gibt weder ein Bildnis seiner Frau, die ihm stets eine liebevolle und treue Gefährtin war, noch hat er je ein Selbstbildnis gezeichnet oder gemalt. Als er danach gefragt wurde, meinte er, daß das wohl Rembrandt hätte tun können, aber nicht er.

Aus: Farbige Gemäldewiedergaben, Wilhelm Rudolph,VEB E.A.Seemann Verlag, Leipzig 1968
Abb. in: Gemaldegalerie Dresden, Neue Meister, Bestandskatalog, Staatliche KUnstsammlungen Dresden, 1987