Mittwoch, 14. März 2007

41 - Bernhard Heisig, Die erste Bürgerpflicht, 1976


Bernhard Heisig, geb. 1925 in Breslau
Die erste Bürgerpflicht, 1976 (Preußischer Soldatentanz 2.Fassung, 1978/79,Hartfaserplatte, 151 cm X 121 cm, erworben 1979)

(Abb. Bildnis des Malers Paul Michaelis, Katalog Gemäldegalerie Neue eister 1977, Abb.100)

Das furios gemalte Bild von Bernhard Heisig wirkt wie eine Explosion. Hier flammen Rot und Gelb, Blau und Grün auf. Es gibt keine Ruhe, alles ist in Bewegung, und zwar in einer Bewegung aus der Tiefe des Bildes nach vorn stoßend. Wie durch einen geborstenen Damm Wassermassen hervorbrechen, so brechen von oben in das Bild Soldaten der konterrevolutionären preußischen Truppen. Wir erkennen kein einziges Gesicht dieser Soldaten. Was wir sehen sind Helme, die die Gesichter verbergen, sind Uniformen und Gewehre mit Bajonetten.

Es ist ein großartiger Gedanke des Künstlers, die Soldaten gleichsam gesichtslos auftreten zu lassen, wie sie da in das Bild geschleudert werden, wie sie blind im Kampf gegen die Revolution selbst verbluten. Links lesen wir "Wrangel, Berlin 1848". Das ist der Name des Generals, der im Namen und Auftrag der Reaktion die Soldaten gegen das Volk kommandierte und im Bild Heisigs die Soldaten gegen die Revolution in ihren eigenen Tod schleudert.

In der unteren Bildhälfte sehen wir die Revolutionäre, in deren Mitte sich der Künstler selbst porträtierte, den rechten Arm erhoben und offenen Mundes etwas rufend. Mir fielen vor dem Gemälde die Verse Georg Herweghs aus dem Jahre 1841 ein:
"Reißt die Kreuze aus der Erden!
Alle sollen Schwerter werden
Gen Tyrannen und Philister!".

Das Bild Bernhard Heisigs ist meines Erachtens eine der bisher bedeutendsten künstlerischen Darstellungen der deutschen bürgerlichen Revolution 1948.

Aus: Die erste Bürgerpflicht, 1976, Dresdener Kunstblätter 1977/VI
Abb. in: Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Bestandskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1987