7 - Beginn der Chronologie. Caspar David Friedrich, Hünengrab im Schnee, 1807
Caspar David Friedrich, geb. 1774 Greifswald - 1840 Dresden
Hünengrab im Schnee. 1807, Leinwand, 61 X 80 cm, erworben 1905
(Abb. Katalog Gemäldegalerie Neue Meister 1977, Nr. 8)
Während damals den meisten Künstlern eine Reise nach Italien Erfüllung des heißesten Wunsches bedeutete, zog es Friedrich nie zu den Stätten antiker Größe und zu den Herrlichkeiten der Renaissance....Ihn hielt es in Deutschland, dessen leidvolle Geschichte sein Leben und seine Kunst bestimmte. Wohl ist er Zeitgenosse der großen bürgerlichen Revolution in Frankreich, aber ihm erschienen die Soldaten des Landes der Revolution nicht als Befreier von feudaler Unterdrückung und geistiger Enge, sondern als Vollstrecker napoleonischen Machtstrebens. Er und seine Freunde, zu denen in Dresden die Maler Gerhard von Kügelgen und Georg Friedrich Kersting, die Dichter Theodor Körner und vorübergehend Heinrich von Kleist gehörten, waren glühende Patrioten. -
Über Friedrichs Einstellung zur französischen Revolution ist nur Unzureichendes bekannt, doch daß er der napoleonischen Unterdrückung und der folgenden deutschen Restauration feindlich war, ist offenbar. Goethes gewaltiges Denk- und Lebensziel, "auf freiem Grund mit freiem Volke stehn", war dem später geborenen und seinem ganzen Bildungsweg nach auf anderem Wissensniveau stehenden Friedrich verschlossen. Und so erwuchs, gefördert von erschütternden persönlichen Erlebnissen (als Knabe war er Zeuge, wie einer seiner Brüder, den er zum Schlittschuhlaufen ermuntert hatte, vor seinen Augen ertrank), ein Unbehagen an den gesellschaftlichen Verhältnissen, das ihn zu Einsamkeit und Menschenscheu leitete. -
Friedrich wandte sich der Natur zu, und er führte die Landschaftsmalerei zu einer Höhe, die in der deutschen Kunst bis dahin ohne Vergleich ist. Er spürte allen Stimmungen und Bewegungen der Natur nach, studierte von tiefer Liebe zu Meer und Strand, deren sich im Licht des Tages und der Nacht wandelndes Bild, zeichnete und malte ferne, zarte Silhouetten der Städte und immer wieder den unerschöpflichen Wandel des weiten Himmels. 1820 konnte man im Tübinger "Kunstblatt" lesen: "Friedrich gerät von Jahr zu Jahr tiefer in den dicken Nebel der Mystik; nichts ist ihm neblicht und wunderlich genug; er grübelt und ringt danach, das Gemüth durchaus auf das Höchste zu spannen." Auch unserem Verstande und Gemüt verlangt Friedrichs Kunst Höchstes ab, doch ist unser Kunstsinn bereit, dem zu folgen, denn seine aus unerfüllbarer Liebe zur Freiheit erwachsene Schwermut ist zu ergreifender Kunstschönheit geformt. Am 7. Mai 1840 stirbt Caspar David Friedrich. Von ihm hatte der französische Bildhauer David d`Angers gesagt, daß er die Tragödie der Landschaft entdeckt habe. In der Tat hatte er einen Akt der Tragödie seines Volkes im Bilde der Natur transparent gemacht.
Fast ein Programmbild Caspar David Friedrichs ist das 1807 entstandene Gemälde "Hünengrab im Schnee". Es ist der späte Nachmittag eines mäßig klaren Wintertages.Hoch am Himmel sehenwir den rötlichen Schimmer der untergehenden Sonne. Die Höhenzüge des Hintergrundes verschwimmen in dem Blau des aufkommenden Abends. Bizarr ragen wenige Äste der drei alten Eichen in den Bildraum und bilden ein tranparentes Ornament vor dem valeurreichen Himmelsgewölbe. Zwischen den alten Bäumen liegt ein Hünengrab, gleich einemMahnmal zeitloser Dauer. Im Gegensatz zu diesem von Menschenhand errichteten Grabmal künden die alten Eichen von Vergänglichkeit all dessen, was die Natur hervorbringt. Die drei Bäume sind, da Friedrich sie so beherrschend in die Fläche stellt, wohl noch ein Bild der Schönheit und Macht der Natur. Ihre Schönheit haben sie auch im Alter behalten, doch das Bild der Macht beginnt zu verblassen vor dem Bild des nahenden Todes. Es herrscht vollkommene Stille. Auch der im Gleitflug unten rechts heranschwebende große schwarze Vogel verändert diesen Eindruck nicht. Er verstärkt das Schweigen.
Aus: Neues Deutschland,5.9.1974, zum 200. Geburtstag von Caspar David Friedrich.
Abb. in: Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 1987
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