9 - 10, Oskar Zwintscher, Bildnis der Gattin des Künstlers (1902),O Wandern, O wandern, (1903)
Oskar Zwintscher, geb. 1870 in Leipzig, gest. 1916 in Dresden
(Gemäldegalerie Alte und Neue Meister, 1978, Nr. 165, Bildnis der Gattin des Künstlers,- Abb.Katalog der Ausstellung Oskar Zwintscher, 1982, Adele Zwintscher als Braut,1897)
Blick in den Mosaiksaal des Albertinums mit der Ausstellung "Oskar Zwintscher, 1870-1916, Hans Unger und Sascha Schneider, Dresdener Bildhauerkunst an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, Kunstgewerbe um 1900, Dresdener Medaillen und Plaketten von 1889-1914, Gemälde aus Dresdener Ausstellungen von 1895-1914".1982. (Die Ausstellung hatte 70 000 Besucher). Katalog zur Ausstellung mit der Abbildung "Adele Zwintscher als Braut", 1897
In der Saalachse das
Bildnis der Gattin des Künstlers, (1902), Leinwand, 200 X 100 cm, erworben 1904
Das lebensgroße Porträt, ein schmales Hochformat, ist konzeptionell ungewöhnlich, denn ein Mensch ist in dem Augenblick gemalt, in dem er uns verläßt. Die Frau steht auf der Türschwelle, hat die rechte Hand auf die Klinke gelegt, die Tür bereits ein wenig geöffnet;sie blickt noch einmal zurück, um im nächsten Augenblick den Raum zu verlassen. Ihr Gesicht lächelt nicht. Es ist alles klar und endgültig.
Das Porträt ist das Bild eines großen Abschieds, eines Abschieds, wie es ihn zwischen Zwintscher und seiner Frau niemals gab, wie er aber in der Literatur dieser Zeit auf Grund der um die Jahrhundertwende immer stärker werdenden Vereinzelung des Menschen zu einem Hauptthema wurde. So gesehen ist das Gemälde seinem Ideengehalt nach Ibsens Schauspiel "Nora" verwandt. Nur der geliebten Frau konnte Zwintscher letztlich die Rolle der großen Abschiednehmenden mit allen Konsequenzen übertragen, war sie für ihn doch Ziel und Halt seiner tiefsten Gedanken und Gefühle, Hoffnungen und Ängste.
Der Endgültigkeit des Abschieds entspricht der entschiedene, kühle Kontrast von Schwarz, Weiß und Gold, dem sich auch die Abstufung des Inkarnats vom dunklen schleierverhangenen Teint zur hellen rechten Hand auf der Klinke einfügt. Nur der schmale Streifen des Teppichs an der unteren Bildkante bringt warme rote Farbtöne ins Bild. Zusammen mit dem strengen Gesamtaufbau, in den die Figur fest eingebunden ist, führt die kühle Farbigkeit den Bildkonflikt zu einem Höhepunkt, der für die zeitgenössische Kunstkritik schon jenseits bürgerlicher Konvention lag. Im "Meißner Tageblatt" war denn auch am 11. November 1903 über das Bild zu lesen:"Nach den Bildnissen der Eltern und des Bruders ein so schrullenhaftes Portrait ... berührt die Grenze der Verzerrung ... vom Pikanten nur ein Schritt zur Karrikatur." Die Direktion der Dresdener Galerie war anderer Meinung. Sie erwarb das Bildnis vom Künstler im selben Jahre, 1903.
Aus:J.U. Oskar Zwintscher, VEB E.A.Seemann Verlag, Leipzig 1984
Abb. in : Dresdener Galerie, Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen, 1984
O Wandern, O Wandern, Leinwand, (1903) 100 X 120 cm, erworben 1916
Der emphatische Titel des Bildes ist bezeichnend für die Stimmung der Zeit, in der wie Richard Hamann schrieb, "sich eine Fahrtenromantik entwickelte, die in einem scharfen Gegenstz zu der großstädtischen Genußsucht des Impressionismus stand." Im Gegensatz zum Impressionismus steht auch die von Zwintscher gemalte Landschaft. "Genußsüchtig" ist sie deshalb jedoch nicht minder, nur ist es das Streben nach dem Genuß der sogenannten "freien Natur", in die man hinauswanderte, um der Stadt zu entkommen, in der man in Zelten schlief und am Lagerfeuer zur Laute sang. Im Heidedorf Worpswede bei Bremen hatte sich einige Jahre zuvor ein Kreis von Malern zusammengefunden, um der Zivilisation nicht zu nahe zu sein. Zwintscher hatte diese Künstlerkolonie 1902, ein Jahr bevor er unser Bild malte, auf Einladung Rilkes kennengelernt.
Die von der Höhe gesehene Elblandschaft zieht den Blick in die Tiefe: Wie bei Bildern Caspar David Friedrichs, die Zwintscher aus der Dresdener Gemäldegalerie gut kannte, gibt es keinen Übergang vom Vorder- zum Hintergrund. Überhaupt schwingt ein romantischer Grundton durch das Ganze, doch die Gründlichkeit, die akribische Feinmalerei, mit der bis in weiteste Ferne jeder Kleinigkeit an beiden Ufern des Elbstromes nachgegangen ist, und der tiefblaue Himmel mit den schweren Wolken über dem fast atmosphärelosen Raum sind Zwintschers Findung. In der gleichzeitigen Dresdener Landschaftsmalerei hatte das Bild seinesgleichen nicht. Noch in den zwanziger Jahren machte es, wie der Maler Rudolf Bergander einmal bestätigte, tiefen Eindruck auf die jungen Künstler, die damals der Neuen Sachlichkeit anhingen.
Aus: Joachim Uhlitzsch, Oskar Zwintscher,VEB E.A.Seemann Verlag Leipzig,1984 Farbtafel
Abb. in: Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Bestandskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 1987
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