Sonntag, 25. Februar 2007

13 - Otto Dix, Selbstbildnis,Sehnsucht, 1918


Otto Dix, geb. 1891 in Untermhaus bei Gera, gest. 1969 in Hemmenhofen
Selbstbildnis, Sehnsucht, 1918, Leinwand, 53,5 X 52 cm, Geschenk 1970

(Abb. Selbstbildnis Sehnsucht, 1918)

Die künstlerische Entwicklung von Otto Dix verlief in mehreren Etappen, unter denen als folgenreichste die Zeit herausragt, die er in Dresden nach dem ersten Weltkrieg bis zum Machtantritt des Faschismus verbrachte. In den Arbeiten dieser Jahre legte er seine Lebenserfahrungen als Kind der Arbeiterklasse - sein Vater war Former in einer Eisengießerei in Gera- und als Soldat des ersten Weltkrieges nieder. Das Selbstbildnis "Sehnsucht" gehört noch der Periode an, in der Dix mit künstlerischen Mitteln des Futurismus und Kubismus um eine Bewältigung des Kriegserlebnisses rang. Drei Jahre zuvor hatte er das "Selbstbildnis als Mars" geschaffen, in dem er das falsche Heldentum des Soldaten im imperialistischen Krieg gleichsam persifliert und die Zerstörung von Leben, materiellen und kulturellen Gütern zum Ausdruck zu bringen unternahm. Das Selbstbildnis "Sehnsucht" ist gegen Ende des Krieges entstanden. Das blaue Gesicht mit den nach oben gedrehten Augen, dem aufgerissenen Mund und den blutroten Lippen trägt unverkennbar die Züge des jungen Malers. Sonne und Mond, der Kopf eines Stieres und eine Rose, die bei näherem Betrachten aus verschlungenen Menschengliedern besteht, entwachsen diesem Kopf. Ein Stern strahlt einsam im Dunkeln des Alls. Das Gemälde ist eine erschütternde Darlegung der furchtbaren Erfahrungen und Erlebnisse, die Dix während des Krieges hatte. Es beinhaltet Klage und Anklage und zugleich die Sehnsucht nach Rettung aus dem Chaos und nach einem friedlichen und befriedeten Leben.

Die Stifterin erzählte mir, wie sie in den Besitz des Gemäldes gekommen war. Im Jahr 1919 war Dix nach Dresden zurückgekehrt, und da er Marianne Britze , die damals an der Kunstakademie studierte, kannte, besuchte er sie. Es ging ihm schlecht, und er bat die junge Künstlerin, ihm zu helfen.Marianne Britze war in der beneidenswerten Lage, über einige Mittel zu verfügen, und sie gab dem Künsler ein paar hundert Mark, damit er die erste Zeit, bis er sich wieder eingelebt hatte, überstehen könne. Zum Dank schenkte ihr Otto Dix sein Selbstbildnis. "Für mich war dieses Gemälde von da an ein unschätzbares Kunstwerk der Erinnerung an die schweren Jahre nach dem ersten Weltkrieg und an Otto Dix. Doch ich weiß, daß dieses Bild heute nicht mehr nur allein mir und den wenigen Gästen, die zu mir kommen, gehören darf. Es soll den unzähligen Besuchern der Dresdener Gemäldegalerie Neue Meister von der damaligen Zeit und dem Beginn der künstlerischen Laufbahn des Malers und Gaphikers Otto Dix Zeugnis ablegen.

In: Dresdener Kunstblätter 1972,1
Abb. in: Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 1987