3. Wilhelm Rudolph, Bildnis Heinz Bongartz, 1960
Wilhelm Rudolph, Bildnis Heinz Bongartz,1960, erworben 1961, Leinwand, 115 X95,5 cm
(Abb. Farbige Gemäldewiedergaben, E.A.Seemann, 1968, Joachim Uhlitzsch, Abb. Nr.6)
In Rudolphs Bildnissen gibt es keine Verfremdungen, die durch frappierende Wirkung den Betrachter packen wollen.Er geht von den natürlichen Gegebenheiten aus, ordnet sie, dämpft und steigert im Sinne des von ihm beabsichtigten Inhalts.Wohl unterwirft er sich die
gegenständliche Erscheinung der Wirklichkeit, aber nie so weit, daß er ihr Gewalt antut, sie deformiert und in ihrer organischen, naturentsprechenden Harmonie antastet. Seinen Menschen und Tieren, Landschaften und Stadtansichten eignet eine überaus komprimierte natürliche Sinnlichkeit.--
Rudolphs Meisterschaft der Porträtkunst hat außer umfassender Menschenkenntnis die Bereitschaft des Künstlers zur Voraussetzung, bescheiden hinter dem Modell zurückzutreten. Es ist, als ließe uns Rudolph mit dem Dargestellten allein. Alle künstlerischen Mittel sind so ausschließlich in den Dienst des Sichtbarmachens der physischen und seelischen Gegebenheiten des Modells gestellt, daß kein Raum mehr bleibt, sich selbst durch auffallende, laute oder gar verblüffende Übersteigerungen der Zeichnung oder der Farbe kund zu tun. Wenn Rudolph den Kopf eines Menschen in abgewogenem Wechsel von Hell und Dunkel rundet, Licht auf Haar, Stirn und Nasenrücken setzt, es gedämpfter auf Jochbein, Lippen und Kinn wiederkehren läßt, dann nur, um das Gesicht in gesteigerter Natürlichkeit neu entstehen zu lassen. So kommt es, daß Rudolphs Porträts unverwechselbar und einmalig sind wie jeder Mensch selbst. Und doch gehen sie in ihrer geläuterten und geklärten "Ähnlichkeit" weit über das Naturvorbild hinaus, da sie, wie Friedrich Hegel es forderte, "den geistigen Sinn und Charakter vor uns hinstellen. Gelingt dies vollkommen" meint Hegel weiter, "So kann man sagen, solch ein Porträt sei gleichsam getroffener, dem Individuum ähnlicher als das wirkliche Individuum selbst."--
Das Bildnis des Generalmusikdirektors Heinz Bongartz von 1960 gehört diesem neuen malerischen Stil an. Obwohl der Dargestellte sitzt, ist der perspektivissche Blickpunkt so tief genommen, daß der Betrachter die Gestalt leicht von unten sieht und den Eindruck hat, als säße Bongartz auf einem erhöhten Platz. Dieses einfache kompositorische Mittel, eine menschliche Gestalt imposant erscheinen zu lassen, schließt leicht die Gefahr ein, daß der Dargestellte überhöht und entrückt wird und der Betrachter in ein Verhältnis der Unterordnung gerät. Eine derartige Übersteigerung widerspräche jedoch der Auffassung vom Menschen, wie sie die Kunst Rudolphs auszeichnet. Daher dämpft er sie, nimmt sie beinahe wieder ganz zurück, indem er Bongartz ganz unoffiziell und ohne jeden äußeren Aufwand ins Bild bringt. Körperlich völlig entspannt, den Blick leicht nach rechts gewandt, sitzt der Dirigent vor uns, als sei er bereit zu einem privaten Gespräch. Auch daß er keine Jacke trägt, daß er die eine Hand lässig herabhängen, die andere locker auf den Oberschenkel ruhen läßt und ganz unförmlich die Beine auseinanderstellt, nimmt dem Bild jede Repräsentation äußerer Erscheinung. Die Würde des Porträts liegt in der künstlerischen Ausdeutung des Dargestellten. So verbinden sich in der Gestalt des Musikers Wert und Bedeutung der Persönlichkeit für die Gesellschaft mit der zutiefst demokratischen Gleichberchtigung des Betrachters mit dem Künstler.
Aus:Farbige Gemäldewiedergaben, Wilhelm Rudolph, VEB E.A.Seemann Verlag, Leipzig 1968.
Abb. in Gemäldegalerie Dresden, Neue Meister, Bestandskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1987
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